Mit der DACTO nach Braunschweig.

                         –Ein ganz normaler Flug-     

                             Aber dann!............!

 

 

Aber einmal von Anbeginn an.

Am 17.03.2002, ich hatte Spätdienst, lag ein Zettel in meinem Fach mit der Bitte mich am 18.03. morgens um 08:00 lcl. bei Victor Matuschka im Büro einzufinden. Rainer Hoffman, mein Kollege, war auch im Dienst und bemerkte mein erstauntes und auf Fragezeichen gestelltes Gesicht. Er wusste wohl offensichtlich von diesem Schreiben, aber er hüllte sich in Schweigen. Auf meine Frage hin, was ich dort soll, sagte er mir nur, dass Victor eine neue Maschine aus den USA geholt habe. Na gut, dann flog er halt mit einer neuen Maschine, ich freute mich für ihn, aber das war es dann auch. Ich nahm mir vor ihn gegen Abend anzurufen. Am 18.03. hatte ich übrigens Termine und somit wartete ich noch mit meinem Telefonat. Der Nachmittag verging sehr schnell, es war einiges zu tun, aber zwischendurch fragte ich mich immer wieder, was er wohl von mir wolle.

Gegen 20:00 Uhr tauchte er dann plötzlich bei mir im AIS auf. Ich sagte ihm, dass ich einen Zettel gefunden hätte und ich hätte ihn noch angerufen. Er antwortete mir dann aber sofort, dass ich mit ihm nach Braunschweig fliegen könne, eben mit dem neuen Flugzeug, der DACTO. Ich war hellauf begeistert und überlegte schon wie ich meine Termine verlegen könnte. Das sollte eigentlich keine Problem sein. Als er gegangen war rief ich sofort daheim an und teilte meinem Schatz mit, was mir für eine Freude gemacht worden war mit dem Vorschlag.

 

Selbstverständlich war ich schon vor 08:00 Uhr im AIS und holte mir den Flugplan um festzustellen wie hoch wir fliegen würden und welche Route ausgesucht worden war. Wir würden über HLZ fliegen und FL280, also außerhalb der VRSM-Area. Man teilte mir mit, dass Victor mich abholen würde. Ich merkte mir den SLOT und ging aufs Vorfeld, wo ich die DACTO schon stehen sah und auch Victor lief geschäftig hin und her. Neben der Maschine stand der Tankwagen. Wenn ich bislang noch Zweifel hatte ob der Flug stattfinden würde, jetzt war ich mir ziemlich sicher. Die „Allgemeine Luftfahrt“ ist, bedingt durch ihre Aufgaben, sehr flexibel –positiv gesehen-.

 

 

Ich freute mich wie ein kleines Kind vor der Geburtstagsfeier. Problemlos gelangte ich aufs Vorfeld, obwohl ich keinen Ausweis hatte. Ich hatte ja lange genug im AIS gearbeitet und es war immer noch meine Dienststelle und auch „mein AIS“. Victor hieß mich reinzukommen, er stand oben an der Schalttafel und beobachtete die Anzeige des einfließenden Kerosins. Wieder einmal war es an mir begeistert zu sein, als ich das Flugzeug von innen sah. Hinten die Spiegelwand in einem dunklen Ton gehalten, davor links eine 3sitzige bequeme Couch in hellem Leder. Ich nahm dies alles war, währenddessen Victor sich mit mir unterhielt. Ich sah die bequemen Ledersessel und beneidete die Personen, die hier Platz nehmen dürfen um mitfliegen zu können, wohin auch immer sie wollen, ohne aber einen Gedanken daran zu verschwenden hier Platz nehmen zu wollen, denn ich wollte den Platz zwischen den beiden Piloten einnehmen um den Flug hautnah miterleben zu können.

 

 

Victor zeigte mir wo die Verpflegung (Frühstück)stand, ich habe das alles nicht so recht wahrgenommen, denn essen, das war etwas, woran ich nun im Augenblick überhaupt nicht dachte.

Nachdem die Maschine aufgetankt war setzte sich Victor auf seinen Platz links und begann die notwendigen Programmierungen vorzunehmen. Dies dauerte eine ganze Weile und in der Zwischenzeit hatte ich schon im AIS angerufen und einen neuen Slot besorgt, denn den ersten konnten wir nicht einhalten. Sein Kollege, der aus Stuttgart kommen sollte, war in dichten Straßenverkehr gelangt und konnte somit nicht pünktlich bei uns sein, es war immerhin Montag und da ist auf den Straßen noch mehr Betrieb als sonst. Die zweite Verlängerung des Slots bekamen wir über den TWR, dieser Kollege war äußerst freundlich und zuvorkommend.

Dann war es soweit. Der Kollege kam und setzte sich nach einer entsprechenden Begrüßung, die mich an meine Militärzeit erinnerte, ich dachte mit Wehmut kurz daran, auf den rechten Sitz. Die letzten Checks wurden gemacht, dann setzte ich mir den Kopfhörer auf um den Sprechfunkverkehr mitzuerleben. Gerne hätte ich mit den Kollegen gesprochen wie bei früheren Flügen auch, aber ich wagte nicht zu fragen, denn die DACTO war erst ein paar Tage in den Händen der Piloten und es erforderte noch einiges an „Versuchen“ im Cockpit um das erlernte Wissen zu trainieren und eine gewisse Routine zu bekommen. Für Nichteingeweihte sollte ich bemerken, dass das Wort Routine in der Luftfahrt mit Vorsicht zu genießen ist. Fertigkeit wäre vielleicht die bessere Vokabel.

Wir erbaten Anlassfreigabe und bekamen sie auch sofort. Kurze Zeit später rollten wir raus zur Startbahn 26R. Mir war ein wenig mulmig, nicht aus Angst vor dem Flug, ich durfte mal wieder mitfliegen und das eben nicht als Passagier sondern ich war wirklich mit „im Cockpit“ dabei. Ich genoß es und ich wünschte mir, dass die Zeit stehen bleiben möge, vielleicht noch nicht jetzt, besser nachdem wir airborne waren. Wir rollten zügig zur Startbahn und meldeten: „Ready to go“.

Um 09:44 Uhr waren wir in der Luft. Der TWR wurde kleiner und kleiner. Wolkenfetzen zogen an uns vorüber. Bald hatte ich keinen Blickkontakt mehr zum Boden, denn nach vorn stieß die Nase der Maschine durch die dünne Wolkendecke und nach rechts und links unten konnte ich nicht schauen, ich war ja auch angeschnallt. Bevor wir unsere immer weiter nach oben freigegebenen Flugflächen erreichten bekamen wir wieder eine weitere Freigabe für eine weitere Höhe. Somit konnten wir nahezu kontinuierlich bis auf Flugfläche 280 steigen. Vor uns sahen wir einige kleine Wolkentürme, die wir aber nie erreichten, weil wir sie einfach „überkletterten“. In Flugfläche 280 angekommen war über uns immer noch ein Layer von Wolken, aber die Sonne wurde nicht verdunkelt. Victor hatte mittlerweile den Autopiloten eingeschaltet und die Maschine bewegte sich nach rechts oder links wie von Geisterhand gesteuert. Ebenso lief die Zusammenarbeit der beiden Piloten wie im Film ab. Ich wagte nicht zu stören und stellte ein paar Fragen, nach dem wir wieder Boden unter uns hatten. Aber so weit war es ja Gott sei Dank noch nicht. Für mich verging die Zeit, ja, eben wie im Fluge. Plötzlich hörte ich nur, dass wir gerufen wurden und man teilte uns mit: „Descent Fl 240“. Schon ging es wieder abwärts. Wir durchflogen eine Wolkenschicht, die uns jede Sicht nahm, aber plötzlich tauchte dann wieder die Erde auf und wir konnten Straßen und Autobahnen erkennen. Ich sah die RWY erst, als wir im „Final“ waren. Nun waren die beiden wieder sehr beschäftigt, wir hatten leichten Crosswind im „short final“ und Victor sein Kollege hielt die DACTO nach dem Aufsetzen am Boden und in der Landerichtung. Wir rollten ab und uns wurde eine Parkposition zugewiesen.

 

 

Leider war der erste Teil der Reise schon beendet. Mir war wieder etwas wehmütig ums Herz; erstens war der erste Teil vorüber und zweitens hatte ich einen bitteren Geschmack im Munde als ich daran dachte, dass Victor mir diesen Flug ja ermöglicht hat sozusagen als „Abschiedsgeschenk“ zum Vorruhestand. Ich verwarf diese Gedanken und widmete mich wieder der derzeitigen Situation. Die letzten Checks wurden gemacht. Die Triebwerke verstummten und es wurde sehr leise in der Kabine. Ich hatte noch einen leichten Druck auf den Ohren, aber beim Militär hatte ich ja gelernt damit umzugehen und es zu beseitigen. Mir fielen meine Tage in Fürstenfeldbruck ein in der Druckkammer. Ich machte damals die Prüfung für die „Red Card“ (Jet passenger licence).Man brachte uns auf eine Höhe, die Fl360 gleichkam und dann wurde Druckverlust simuliert. Wir mussten unsere Masken abnehmen und einer der Kameraden wollte sie dann nach einiger Zeit nicht wieder aufsetzen, erst als von unserem „Begleiter“, einem Arzt, Gewalt angewendet wurde, fügte sich dieser Kamerad, und danach ging es ihm gar nicht so gut.

Mir geht es jedenfalls gut und ich bin in Braunschweig mit der DACTO und Victor und seinem Kollegen, der sehr viel Humor besitzt und heute gibt es bei ihm alles umsonst, jedenfalls sagte er das immer wieder: „......und das heute kostenlos“.

 

Wir meldeten uns in der Flugleitung an und auch gleich wieder ab. Der Kollege von Victor blieb noch in der Maschine und dann marschierten wir, im wahrsten Sinne des Wortes, zum Luftfahrtbundesamt. Ich hatte die falschen Schuhe an, ich wusste ja nicht, dass wir länger marschierten als wir an Zeit für den Hin- und Rückflug benötigten.

Aber dann.................

Hier war nur „Besuchszeit“ zwischen 10:00 und 12:00 Uhr. Eine nicht unansehnliche Dame an der Reception entpuppte sich dann als „Alte Jungfer“. Obwohl, eigentlich konnte sie ja auch gar nichts für das, was sich dann abspielte.

Victor hatte mindestens drei Termine bei drei verschiedenen Sachbearbeitern. Nun musste er sich für einen anmelden, bzw. das machte dann die Lady an der Reception. Für die beiden anderen Termine musste er vom ersten Stockwerk wieder zurück zur Reception und musste sich erneut anmelden, um dann wieder in den ersten Stock zu gehen, dieses Mal eine Tür weiter und konnte dann dort vorsprechen. Ich saß mal in der Sonne draußen, mal saß ich in der großen Vorhalle zu der links die Reception gehörte. Wir waren durch eine Glastür und eine riesige Glaswand von der eigentlichen Halle getrennt, von der aus man in die anderen Stockwerke gelangen konnte, wenn man denn durfte. Ich wurde zwangsläufig Zeuge von Telefonaten der Lady mit Besuchern oder mit Leuten, die ein Anliegen hatten. Sie versuchte oft eine Verbindung mit jemandem im Haus zu bekommen. Dies gelang ihr nur sehr selten. Manchmal sagte sie: „Es tut mir leid, Herr ? ist heute nicht im Hause, rufen Sie morgen wieder an, so gegen 09:00 können Sie ihn erreichen“. Oder: „Herr ? ist im Augenblick zu Tisch, Sie können ihn in einer Stunde wieder erreichen, er ist dann bis kurz vor 15:00 im Haus“. So ging das am laufenden Band. Um 11:45 Uhr begann der große Run auf den Ausgang. Einen  weiteren Run später in entgegengesetzter Richtung gab es nicht.

In der Zwischenzeit kam Victor mal wieder die Treppe runter um eine weitere Anmeldung vorzunehmen. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände und ich war froh hier nicht verhandeln zu müssen. Nachdem er vorübergehend nichts mehr erreichen konnte gingen wir zurück zu unserem zweiten Piloten um ihn zu holen. Victor wollte uns zum Mittagessen einladen. Es war warm und der Beton unter meinen Sohlen war hart. Bei der Maschine angekommen machte ich einige Fotos, die ich als Andenken behalten wollte.

Nachdem die beiden versucht hatten die Türe der DACTO zu schließen, was auch endlich gelang, marschierten wir wieder zurück in Richtung LBA.

 

 

Also wieder zurück zum LBA, oder doch nicht?!

Wir gingen zurück zum LBA, denn vor 15:30 Uhr bekam Victor seine Unterlagen nicht zurück. Victor hatte uns in die Kantine zum Essen eingeladen. Die beiden bestellten Matjes mit Pellkartoffeln und ich aß eine Currywurst mit Pommes Frites. Wir unterhielten uns auch über vergangene Zeiten, die mir meine Situation des nahenden Vorruhestandes klar werden ließen, wieder einmal. So verging die Zeit verhältnismäßig schnell, trotzdem war noch „Warten“ angesagt. Gegen 14:50 ging ich dann auch zurück zur DACTO, der Kollege von Victor war schon voraus gegangen. Ich fand ihn lesend in einem dieser super Sessel sitzend. Die Gelegenheit nutzend machte ich noch ein paar Fotos. Victor erschien dann gegen 15:15 Uhr. Er hatte sein Kommen über Handy angekündigt.

Dieses Mal gab es keinen Slot. Die Checks wurden gemacht und die Maschine wieder für den Start vorbereitet. Mir war vieles jetzt schon vertraut. Die Tür wurde verschlossen, dies ging von innen bei weitem besser als von außen; wir bekamen Anlassfreigabe und dann rollten wir wieder zur RWY. Von Traffic konnte hier in Braunschweig keine Rede sein und die Freigabe „Cleared for takeoff“ folgte auf dem Fuße. Dieses Mal kam das Ende der Bahn höllisch schnell auf uns zu, aber da waren wir auch schon wieder airborne. Das Wetter war herrlich und wir waren wieder einmal viel zu schnell in München. Wir kamen dicht an dem Atomreaktor vorbei, der von der Autobahn München-Deggendorf sehr gut zu sehen ist, zumindest kann man den Kühlturm gut erkennen. Dann waren wir schon wieder auf dem ILS für die 26R. Die 2 Knoten Wind sind völlig uninteressant und ehe ich mich versah tauchte der TWR vom Flughafen wieder auf. Es war eine Bilderbuchlandung, soweit ich das beurteilen kann und wir hatten die Bahn in ganz kurzer Zeit verlassen. Obwohl die Sicht nicht besonders gut war, es war im Gegenteil sehr dunstig, sah ich, dass wir den TWR rechts liegen ließen. Ein „Follow me“ wies uns dann ein zu einer Parkposition vor der Halle, eigentlich war es keine offizielle Parkposition aber die DACTO sollte ja auch sofort in die Halle gezogen werden.

Nach den notwendigen Checks öffnete Victor die Tür und wir durften wieder Bayerische Luft atmen. Mir wäre eine andere Luft, wo immer sie gewesen wäre, auch recht gewesen. Dies war wohl mein letzter Flug in dieser Art. Es fiel mir schwer mich zu verabschieden und ich hielt mich noch eine ganze Zeit neben der Maschine auf, bis ich endlich zu meinem Wagen ging und heim fuhr.

 

 

Lieber Victor, auf diesem Wege danke ich Dir ganz herzlich, dass Du mir diesen Flug ermöglicht hast. Ich werde ihn, auch wenn ich schon lange im Vorruhestand sein werde, in Erinnerung behalten, so, wie ich alle anderen in Erinnerung behalten werde, mit denen ich während dieser vielen Jahre meiner Tätigkeit zusammen gearbeitet habe. Ich weiß jetzt schon, Ihr werdet mir fehlen, aber ich weiß auch, dass die Sehnsucht im Laufe der Zeit nachlassen wird und andere Dinge den Vorrang bekommen werden. Du wirst auch nicht mehr so sehr lange arbeiten wollen/müssen und ich wünsche Dir auf diesem Wege schon jetzt alles erdenklich Gute für die Zukunft. Ich denke für Dich, der Du auch im oberen Luftraum daheim warst, wird der Abschied nicht minder schwer sein.

Es ist alles so leicht, wenn man es noch vor sich hat.

 

                                                     

                                                          Hans-Rudi